Everett Camilio Vardo
der Berg
Everett ist ein Junge einfacher Abstammung. Seine Eltern sind nicht von einem Seelenvogel ausgewählt und sind der Sippe nützlich, wo sie können. Trotz ihrer Bescheidenheit war Everett stets auffällig, obwohl er schon immer einer der Kleineren und schmächtigeren war raufte er sich gern und provozierte die anderen Kinder mit Streichen und böser Zunge.
Außerdem war er unwahrscheinlich stur. Selbst die Ältesten und Weisesten bissen sich manches Mal die Zähne an dem Dickschädel des Jungen aus. Wenn er etwas wollte, dann hielt er daran fest, bis er es hatte und wollte er etwas nicht brauchte man beinahe die gesamte Sippe um ihn doch dazu zu bekommen.
Diese Eigenschaften machten Everett gerade bei dem Seher, der für diesen Teil der Familie zuständig war, unbeliebt. Er war es gewohnt, Respekt zu erfahren, doch von dem Jungen bekam er Widerworte oder schlimmeres, einmal versteckte der junge Everett eine dicke Kröte im Stiefel seines Sehers, natürlich erkannte der Seher mit seinen Fähigkeiten den Streich, bevor er den Stiefel anzog, eine Strafe musste Everett trotzdem über sich ergehen lassen. Mit sechs wurde er vom Seher in Trance versetzt um seinen Seelenvogel zu erfahren. Die Ältesten gingen davon aus, dass kein Vogel sich einem so ungezogenen Lausbuben annehmen würde, doch sie sollten sich irren.
In Everetts Vision ging er einen Fluss entlang, an seinem Ufer neigten sich die Weiden über das Wasser. Hin und wieder konnte er einen Schwarm kleiner Fische im Schatten der Bäume ausmachen. Doch der Himmel, den Everett auf der Suche nach seinem Seelenvogel absuchte, war leer. Er bemerkte nicht, dass er längst beobachtet wurde.
Irgendwann wurde Everett unruhig, die Vision würde nicht ewig anhalten und wenn er nicht bald seinen Seelenvogel fand, wäre er genau das, was der Seher über ihn sagte. Nichts, als ein ungezogener Junge.
Der Fluss wurde seichter und Everett, von Unruhe erfüllt sprang in die kalten Fluten, um am anderen Ufer nach dem Vogel zu suchen, der sein Schicksal bestimmen sollte. Obwohl das Wasser ihm nur bis zur Hüfte reichte zog die Strömung heftig an ihm. Einige Zeit konnte er sich halten, doch je näher er der Mitte des Stroms kam, desto stärker riss das kalte Nass an ihm. Der Junge wurde unsicher, ihm kam es vor, als würde das Wasser immer tiefer und die Strömung immer stärker. Schließlich verlor er den Halt auf den rutschigen Steinen im Flussbett. Sei n Kopf geriet unter Wasser und er verlor die Orientierung. Er konnte nicht sagen wie lang ihn der Fluss gefangen hielt, oder wie weit das Wasser ihn trug.
Seine Lungen brannten und verlangten nach Luft, doch noch immer war er von nichts als Wasser umgeben. Seine Augen versuchten in der trüben Umgebung das Licht der Sonne auszumachen, einen Anhaltspunkt wohin er schwimmen musste um wieder Luft schnappen zu können.
Dann bemerkte er, wie ihn etwas im Nacken packte, ein fester, gebogener Schnabel bohrte sich in den Stoff seiner, mit Wasser vollgezogenen, Kleidung und zog ihn.
Everett schloss die Augen, das brennen seiner Lungen war nun nicht mehr auszuhalten, da durchbrach sein Kopf die Wasseroberfläche und gierig zog der Junge Luft in seine Lungen. Die Strömung war mit einem mal ruhig, das Wasser hatte eine angenehme Temperatur. Als der Junge sich umdrehte erkannte er seinen Retter, ein Vogel mit schwarzem Gefieder und langem, gebogenen Schnabel.
„Wie ich dich beschützte, so sollst du die deinen Schützen. Ich wäre für dich ertrunken, wäre es nötig gewesen und auch du sollst alles tun, um die deinen vor Schaden zu bewahren.“ Krächzte der Vogel, schwang sich aus dem Wasser und begann seine Flügel zu trocknen, indem er sie in der Sonne hielt. Dabei wirkten sie wie ein Schutzschild, der Everett vor allem bewahren konnte, solange er sich darunter aufhielt.
Der Junge schlug die Augen auf. Seine Kleidung war trocken.
„Der Kormoran!“ lachte er und hustete darauf, seine Lunge brannte, wahrscheinlich hatte er in Trance die Luft angehalten. Die Augen des Sehers weiteten sich, bevor er ungläubig den Kopf schüttelte.
Es dauerte einige Jahre, aber aus dem Kind wurde ein junger Mann, der von seinem Starrsinn nicht verlor, auch wenn er sich inzwischen besser in die Sippe einfand. Seine Eltern hatten ein wenig von ihrem Stolz über ihren Ältesten wieder erlangt, denn der Kormoran hatte ihren Sohn erwählt.
Aber ihr Junge war noch kein Kämpfer, zwar führte er ein Schwert, doch um wahrlich zum Schutz der Sippe beizutragen reichte es noch nicht. Und so kam es, dass die Ältesten ihn abwiesen.
Unschlüssig, wohin er gehen sollte kam ihm nur ein Teil der Familie in den Sinn, Cenedras Leute. Sie waren ein merkwürdiger Haufen, aber sie waren Herzensgut und dienten der Familie vorbildlich. Aber was am wichtigsten war, sie hatten noch Platz für einen Nichtsnutz, der noch nicht zu sich selbst gefunden hatte, trotz seines Alters.